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Elektroauto parken, Ladekabel einstecken und der Ladevorgang startet automatisch – Plug and Charge und Autocharge erscheinen auf den ersten Blick identisch. Bei genauerem Hinsehen wird aber klar, dass die beiden Ladetechnologie doch sehr unterschiedlich sind.
Das Laden von Elektrofahrzeugen unterscheidet sich deutlich von der herkömmlichen Praxis des Tankens von Verbrennungsfahrzeugen. Während beim Tanken der Vorgang in der Regel relativ unkompliziert abläuft – man fährt zur Tankstelle, steckt den Zapfhahn in den Tank, zahlt und ist fertig – erfordert das Laden eines Elektrofahrzeugs ein paar Schritte mehr:
Nachdem eine geeignete Ladestation gefunden wurde, wird das Ladekabel eingesteckt. Die Authentifizierung und Zahlung erfolgt, je nach Situation, durch Anwendungen wie Ladeapps und RFID-Karten, durch das Scannen des an der Station geklebten QR-Codes oder durch Einstecken der Kreditkarte ins Zahlungsterminal. Nachdem der Ladevorgang manuell gestartet wurde, heißt es warten. Je nach dem, wie viel Reichweite aufgeladen werden möchte und wie leistungsfähig die Ladesäule ist, beträgt die Wartezeit zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden.
Die gemeinsame Vision von Plug and Charge (auch bekannt als Plug&Charge oder PnC) und Autocharge ist es, diese komplexen Schritte des Ladens zu eliminieren und den Prozess so nahtlos wie möglich zu gestalten. In beiden Ansätzen bedeutet das Anschließen des Ladekabels den Beginn des Ladevorgangs, ohne dass der Fahrer weitere, manuelle Schritte unternehmen muss. Daher entfällt bei beiden Ansätzen die Notwendigkeit, eine Kreditkarten, App oder Ladekarte zu benutzen. Folglich wird das Laden viel einfacher.
Nichtsdestotrotz weisen beiden Ladetechnologien viele Unterschiede auf. Diese werden im Folgenden erläutert.
Ein entscheidender Unterschied liegt in der zugrunde liegenden Sicherheitsstruktur. Plug and Charge verwendet hochsichere Authentifizierungsmechanismen, um sicherzustellen, dass nur autorisierte Fahrzeuge geladen werden können. Tatsächlich ist die Ladetechnologie mit der ISO 15118-Norm reguliert. Die Normreihe regelt die Kommunikationsschnittstelle zwischen E-Auto und Ladesäule, wodurch der Ladeprozess standardisiert ist.
Autocharge ist hingegen mit keiner einzigen Norm reguliert. Entsprechend hoch ist das Sicherheitsrisiko, welchem die Nutzer ausgesetzt sind. Beispielsweise merkt sich bei Autocharge der Ladestationsbetreiber die personenbezogene Identifikationsnummer des Fahrzeugs. Neben diesem und weiteren Datenschutzrisiken besteht ebenfalls gewisses Fälschungsrisiko. Zusammengefasst ist Autocharge als Authentifizierungsmethode also nicht sicherer als beispielsweise RFID-Karten, die auf ähnlichen Vorgängen beruhen.
Die Standardisierung von Plug and Charge bedeutet nicht, dass kein Risiko des Datenmissbrauch besteht. Lediglich werden bei Plug and Charge die Möglichkeiten für Angreifen, die Sicherheitszertifikate zu stehlen und sie selbst zu verwenden, geringer.
Unter Interoperabilität versteht man anbieterübergreifende Ladevorgänge. Wenn beispielsweise ein Elektromobilist sein Fahrzeug an einer IONITY-Ladestation mit einer Ladekarte von BMW aufladen möchte, müssen mehrere Anbieter miteinander kommunizieren und Daten austauschen. Dann spricht man von Interoperabilität.
Die Sicherheitsstandardisierung von Plug and Charge ermöglicht eine anbieterübergreifende Experience. Deshalb kann Plug and Charge ebenfalls im Roaming verwendet werden.
Bei Autocharge hingegen ist keine Interoperabilität möglich. Die Nutzung dieser Ladetechnologie ist nur dann möglich, wenn ein Ladestationsbetreiber zugleich auch eigene Ladestromverträge anbietet. Deshalb können Elektromobilisten, die einen Ladestromvertrag mit beispielsweise EnBW oder Fastned abgeschlossen haben, Autocharge nur im Ladenetz des jeweiligen Anbieters nutzen.
Bei beiden Technologien ist eine Registrierung des Fahrzeugs notwendig. Schließlich muss die Ladefunktion beim Ladestromanbieter aktiviert werden. Erst nach der Anmeldung können alle kompatiblen Ladesäulen das Fahrzeug erkennen und den Ladevorgang nach Anschließen des Ladekabels automatisch starten.
Viele Ladestromanbieter aktivieren bei den registrierten Fahrzeugen automatisch die Funktion Autocharge. Bei Plug and Charge hingegen muss der Fahrer die Funktion eigenständig aktivieren und den Ladestromvertrag in Form eines digitalen Fingerabdrucks im Fahrzeug hinterlegen.
Die automatische Authentifizierung bei Plug and Charge funktioniert via verschiedenster Kommunikationsschnittstellen und Sicherheitszertifikate. Beispielsweise ist es erforderlich, dass die Elektroautos einen digitalen Fingerabdruck (OEM Provisioning Certificate) aufweisen müssen. Der Austausch der Daten und die Validierung der Zertifikate erfolgt über eine zentrale Datenbank, die von Ladestromanbietern, Fahrzeugherstellern, Ladestationsbetreiber und verbundenen Backends genutzt wird.
Der genaue Ablauf der Authentifizierung ist nicht durch ISO 15118 geregelt, weshalb verschiedene Anbieter unterschiedliche Abläufe implementiert haben. Grundsätzlich gilt aber, dass die Ladestation nach dem Einstecken des Ladekabels eine Anfrage vom E-Auto erhält. Daraufhin werden die digitalen Signaturen, die im Fahrzeug hinterlegt sind, überprüft.
Dabei wird nicht geprüft, ob es sich um ein für Plug and Charge autorisiertes Fahrzeug handelt, sondern ob das Fahrzeug einen gültigen, digitalen Ladestrom-Vertrag in Form eines Zertifikates vorweisen kann. Und nur wenn das Zertifikat des Ladevertrag erfolgreich überprüft werden konnte, wird der Ladevorgang automatisch gestartet. Dies ist der Hauptunterschied zu Autocharge, denn bei Autocharge wird lediglich das Auto identifiziert und nicht der Ladestrom-Vertrag.
Mehr Infos zu Plug and Charge sowie zu kompatiblen Fahrzeugen und Ladesäulen finden Sie in unserem Artikel ISO 15118 und Plug and Charge einfach erklärt.
Während Plug and Charge auf dem Combined Charging System (CCS) basiert, nutzt Autocharge lediglich das CCS zum Datenaustausch. Damit das funktioniert, müssen aber beide, die Ladesäule und das Fahrzeug, CCS unterstützen.
Bei Autocharge erfolgt die Identifizierung des Fahrzeugs über die Identifikationsnummer respektive MAC-Adresse des Fahrzeugs. Diese Nummer ist eine spezielle Kennung für das E-Auto, vergleichbar mit einer Postanschrift für ein Haus, die in verschiedenen Arten von Netzwerktechnologien wie kabelgebundenem Ethernet, kabellosem Wi-Fi und Bluetooth eingesetzt wird.
Nach dem Einstecken des Ladekabels schickt das E-Auto seine Nummer an die Ladestation. Das Autocharge-System verwendet anschließend ein Kommunikationsprotokoll namens Open Charge Point Protocol (OCPP) um Informationen zwischen der Ladestation und einem Verwaltungssystem in der Cloud auszutauschen. Tatsächlich kommuniziert Plug and Charge ebenfalls über OCPP. Lesen Sie unseren Blog: 10 Fakten über OCPP, die Sie kennen sollten, um mehr über das Kommunikationsprotokoll zu erfahren.
Im Anschluss prüft das Verwaltungssystem die empfangene Nummer, um zu sehen, ob sie in einer Art “Whitelist” von erlaubten MAC-Adressen für E-Autos steht. Wenn dies der Fall ist, erhält die Ladestation die Genehmigung und der Ladevorgang beginnt.
Da Autocharge nicht durch eine Norm reguliert wurde, gibt es keine Standardisierung hinsichtlich der MAC-Adresse. Autocharge funktioniert aber nur, wenn diese einzigartig ist. Da einige Hersteller ihren Elektroautos die selbe Nummer vergeben, ein alternierendes Set verschiedener Nummern oder sogar eine Zufallszahl nutzen, funktioniert Autocharge nicht bei allen Autos. Hier eine Liste der Fahrzeuge, die Autocharge nicht verwenden können (Stand September 2023, Quelle: Fastned: Was ist Autocharge?):
Audi e-tron (Modell 2018, kann für Modell 2019 nicht garantiert werden) & Q4 e-tron
Cupra Born
Lucid Air
Maxus eDeliver
Mazda MX-30
Volkswagen e-Up!, e-Golf, ID.3, ID.4 & ID.5, ID.Buzz
Seat Mii electric
Skoda Citigo e-iV & Enyaq iV
BMW iX1 & BMW i7
Rolls-Royce Spectre EV
ORA Funky Cat
Trotz ISO 15118 fehlt es an Standardisierung bei Plug and Charge. Das ist beispielsweise an den unterschiedlichen Authentifizierungs- und Kommunikations-Abläufen ersichtlich. Entsprechend viele Use Cases (unterschiedliche Situationen) gibt es, die bei der Entwicklung der Technologie berücksichtigt werden müssen.
Zugleich erfordert die Ladetechnologie die Zusammenarbeit von vielen verschiedenen Akteuren, was die Implementierung zusätzlich erschwert. Beispielsweise wird der digitalen Fingerabdruck der Fahrzeuge – dieser ist notwendig, damit Plug and Charge genutzt werden kann – noch immer in weniger als der Hälfte aller Neuwagen installiert.
Zusammen führen diese Gründe dazu, dass Plug and Charge einerseits längt nicht immer genutzt werden kann und andererseits nicht immer wie gewünscht funktioniert. Vor allem beim Laden in verschiedenen Ladenetzwerken gibt es eine hohe Fehlerquote.
Die technische Implementierung von Autocharge ist hingegen relativ simpel. Es sind keine größeren Änderung im Backend der IT-Systeme notwendig. Entsprechend ist es für die Anbieter viel einfacher und effizienter, ihren Kunden Autocharge anzubieten.
Autocharge ist bereits viel weitläufiger implementiert als Plug and Charge. Rund ein Drittel der Ladevorgänge an Autocharge-fähigen Schnellladern von Autocharge-fähigen Autos erfolgt bereits mit Autocharge. Damit ist der Anteil dieser Ladefunktion gleichauf mit dem Anteil an Authentifizierungen mit Ladekarte sowie mit Ladeapp. Der Anteil von Plug-and-Charge-Ladevorgängen bleiben hingegen unbekannt. Es wird aber angenommen, dass er sehr viel tiefer liegt.
Viele Nutzer wissen nicht, ob sie ihr Amit Autocharge oder Plug and Charge laden. Das liegt wohl daran, dass der automatische Ladevorgang bei beiden Ladetechnologien identisch abläuft.
Es gibt verschiedene Methoden um herauszufinden, ob Sie mit Autocharge oder Plug and Charge laden. Erinnern Sie sich daran, sich für die Ladefunktion angemeldet zu haben? Wenn nein, nutzen Sie höchstwahrscheinlich Autocharge. Starten Ihre Ladevorgänge regelmäßig automatisch, ohne dass Sie speziell darauf achten? Dann laden Sie wohl mit Autocharge. Fahren Sie einen Tesla? Auch dann laden Sie mit Autocharge.
Ansonsten können Sie in der App oder im Kundenportal des Ladestromanbieters, aber auch im Menü des Autos nachsehen. Meist wird dort die aktivierte Funktion aufgezeigt.
Welche Ladelösung genutzt wird hängt meistens vom Fahrzeugmodell ab. Schließlich sind nicht alle Modelle Autocharge und/oder Plug-and-Charge-fähig sind. Dasselbe gilt für die Ladesäulen und Ladestromanbieter.
Wenn man aber die Wahl zwischen beiden Funktion hat, wird die Verwendung von Plug and Charge empfohlen. Vor allem in Situationen, in denen eine hohe Sicherheit erforderlich sind – zum Beispiel im gewerblichen Bereich -, ist diese Ladetechnologie die bevorzugte Option.
Große Anbieter wie EnBw und Fastned nutzen momentan noch Autocharge. Dies ist mit der geringen Implementation von Plug and Charge verbunden. Langfristig ist aber davon auszugehen, dass Plug and Charge sich auf dem Markt etablieren wird.
Wiedergrün ist ein Beratungs- und Ingenieurbüro, das sich auf Elektromobilität und Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert hat. Wir bieten eine Reihe von Dienstleistungen für drei Hauptkundengruppen an: Immobilienunternehmen, Vermieter und Hausverwaltungen, KMU und mittelständische Unternehmen sowie Unternehmen der Ladeindustrie.
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